Otto Graf (1882-1950)

„Ein Schwarzwälder“, schrieben vor vielen Jahren, noch vor dem Krieg, „Westermanns Monatshefte“, „von jenem heiteren, geselligen Schlag, der dort gedeiht, wo die badischen Reben wachsen und wo die schattigen Wäldchen der zahmen Kastanien an sonnigen Hängen stehen.“ Die Rede war von Otto Graf, dem 1882 geborenen Sohn des Bauern Anton Graf in der Rosenstraße in Achern. Heute erinnert nichts mehr an den Bauernhof, in dem Otto und seine fünf Geschwister aufwuchsen.

Die Eltern Graf waren fromm, dabei weltoffen. Die Töchter Franziska, Caroline und Anna erlernten in Frankreich die französische Sprache. Der Sohn Anton zog als Matrose und Schiffsmechaniker in die Welt hinaus und lernte alle Erdteile kennen, ausgenommen Australien. Zur Freude der Kinder weit und breit brachte er aus Südamerika einen Papagei mit, der „Karline, hol Kaffee!“ sagen konnte. Sein Bruder Georg erlangte im Ruhrgebiet als Ingenieur eine führende Position.

Der 1882 geborene Otto wollte schon als Kind Kunstmaler werden. Der Vater sorgte dafür, dass der Junge einen Beruf erlernte, der auf alle Fälle seinen Lebensunterhalt sicherte. Otto trat bei dem Dekorationsmaler Justus Boppert in die Lehre; nach der Gesellen-Prüfung ging er „auf die Walz“. Mit offenen Augen wanderte er bis nach Hamburg, überall besuchte er Museen und Bildergalerien. Sein sauer verdientes Geld hielt er eisern zusammen. In seinem Herzen glühte immer stärker der Wunsch, selbst ein Künstler zu werden.

Von 1902 bis 1904 musste er im elsässischen Mühlhausen, dem heutigen Mulhouse, den Militärdienst ableisten. Nicht durch soldatische, sondern durch künstlerische Aktivität erregte er Aufsehen; er porträtierte Kameraden und Offiziere und bebilderte die Wände der Kaserne. 1904 konnte er mit Hilfe erarbeiteten und gesparten Geldes in die Kunstgewerbeschule Karlsruhe eintreten. Ein erster Preis für einen dekorativen Entwurf verschaffte ihm ein Stipendium. In den Ferien restaurierte er Kirchenfresken. 1910 nahm ihn die Karlsruher Kunstakademie auf. 1914 brach der Krieg seinen wie vieler anderer Menschen Lebensweg ab. Otto Graf wurde Soldat.

Aus dem Krieg heimgekehrt, angesichts großer Arbeitslosigkeit, wagte er den Schritt in das Leben eines freischaffenden Künstlers. Seine heitere, gesellige Art gewann ihm Freunde; Aufträge blieben nicht aus. Der „Sternen“- Wirt in Sasbachwalden, bei dem auch Conrad Kayser ein- und ausging, kaufte ihm manches Bild ab. Eine Besonderheit waren seine Gruppenporträts. Das Porträt mit drei Arbeitern der Glashütte, denen die Schwester Caroline einen Krug Most kredenzt, hängt im Acherner Sensen- und Heimat-Museum. Otto Graf blieb unverheiratet. Mit der Staffelei auf dem Rücken durchstreifte er das winterliche Engadin. 1924 und 1928 bereiste er Italien bis hinunter nach Neapel.

1926 weilte er in Paris, 1927 in Holland, 1930 in Tirol. Von überall brachte er Bilder und Skizzen mit mannigfachen Eindrücken und Erinnerungen befruchteten sein Schaffen. Keine der Schubladen, in die man ihn einordnete, wurde ihm gerecht; nicht die eines „Heimatmalers“, nicht die eines „späten Impressionisten“.

Otto Graf war dem Uniformen, dem von oben herab Befohlenen abhold. Das im „Dritten Reich“ gewünschte Heldische hatte nichts gemein mit der Welt der Bauern und Handwerker, der er sich zeitlebens zugehörig fühlte. Der frommen Tradition seines Elternhauses schämte er sich nicht. Er nahm sie auf und pflegte sie weiter. Sein Atelier in Karlsruhe glich einem Museum. In Achern behielt er einen festen Wohnsitz, im heute noch stehenden Haus Ecke Friedrich- und Ratskellerstraße. Dort unterhielt seine Schwester Anna eine Nähschule, die Schwester Caroline besorgte den Haushalt.

Viele Werke Otto Grafs aus allen Perioden seines Schaffens hatte ein schlesischer Freund gesammelt.

Sie wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs vernichtet. Das Karlsruher Atelier mit ungezählten Gemälden und Skizzen fiel einem Bombenangriff zum Opfer. Die Währungsreform raubte ihm die Ersparnisse, mit denen er so viel Gutes tat. Otto Grafs Herz brach; er war 69 Jahre alt, als er 1950 in Achern starb. In vielen Familien sorgsam gehütete Bilder erinnern noch an den Künstler, der, so weit er in der Welt herumkam, Achern nicht vergaß.

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