Julius Graf (1884-1968)

Der Blechner Carl Graf fiel aus allen Wolken, als der jüngste seiner fünf Söhne, der 1884 geborene Julius, ihm eröffnete, er wolle Kunstmaler werden. Julius war 13 Jahre alt, als sein Vater starb. Er brach das Gymnasium ab, als er spürte, dass es seine Begabung mehr hinderte als förderte. Vor allem sein älterer Bruder Adolf bestärkte ihn, sodass schließlich auch seine Mutter ihre Bedenken hintenan stellte, es aber durchsetzte, dass der Bub zuerst „etwas Ordentliches“ lernte. Bei Malermeister Villinger ging Julius in die Lehre, bevor er 1901 in die Kunstgewerbeschule Karlsruhe eintrat und schließlich 1904 als Student an der Münchner Akademie aufgenommen wurde.

Julius Graf war ein Naturtalent, bewegt von innerem Antrieb und großem Fleiß. Unablässig war er bestrebt, sein Können zu vervollkommnen. In München schlug  er sich malend durchs Leben, nicht anders als viele Künstlerfreunde. Der Heimat Achern blieb er verbunden. 1912 gehörte er zu den Gründern des Acherner Skiclubs. Leidenschaftlicher Wintersportler, der er war, wurde er, als der Erste Weltkrieg ausbrach, in ein „Schneeschuhbataillon“ eingezogen und geriet in russische Gefangenschaft. Mit einigen Kameraden floh er aus einem Bergwerk im Donez-Becken und schlug sich nach Deutschland durch. Die ersehnte Freiheit fand er nicht. Er musste weiter Soldat sein und erlitt den letzten Teil des Krieges in den Vogesen.

Die Kriegsjahre veränderten seine Einstellung zum Leben. Er sagte dem Münchner Künstlerleben Valet und kehrte ins Badische zurück. Als freier Künstler zeichnete und malte er ohne Unterlass. Seine besten Bilder, sagen Kenner seines Werkes, seien damals entstanden. 1921 heiratete er Caroline Bürkle, die Schwester von Adolf, dem Gründer des Baugeschäfts in der Ratskellerstraße in Achern. Aus der glücklichen Ehe wuchs eine glückliche Familie. Vier Kinder kamen auf die Welt: drei Söhne und eine Tochter.

Es war schwer, als freischaffender Künstler das zum Leben Nötige zu verdienen, zumal in den wirtschaftlich so schwierigen 20er Jahren.

Trotz aller notwendigen Bescheidenheit war das Leben reich, unerschöpflich reich. Der Vater lehrte seine Kinder, den Menschen und der Natur mit wachen Sinnen zu begegnen. Als leidenschaftlicher Wanderer nahm er sie mit hinauf in die Berge. Viele kleine Aufträge halfen ihm, das zum Leben Notwendige zu verdienen. Er zeichnete 1933 die Ehrenbürger-Urkunde für Adolf Hitler. Das vom bekannten Architekten, seinem Bruder Adolf Graf errichtete Kloster Erlenbad malte er aus. Lieber als andere von ihm gemalte Bilder war ihm seine Kopie von Raffaels Sixtinischer Madonna.

Am Acherner Leben nahm Julius Graf intensiv Anteil.

Er gestaltete Umzüge und Bälle der Vereine, er zeichnete ungezählte Blätter zu Festen und Jubiläen. Richard Krämer, Freund von Kindheit an – die Elternhäuser standen nebeneinander – vermittelte ihm eine Anstellung bei der Stadt. Endlich hatte Julius Graf ein regelmäßiges Einkommen und bezog später, nachdem er bis zum Alter von 72 Jahren im Dienst der Stadt gewirkt hatte, auch eine kleine Rente. 1940 trat er, Richard Krämer zuliebe, der Partei bei. Der Zweite Weltkrieg schlug der Familie tiefe Wunden.

Julius Graf malte weiter. Die Kunst war sein Leben. Viele seiner Bilder hängen in Acherner Häusern, andere sind weit gewandert, auch über Deutschlands Grenzen hinaus, sogar über den Ozean. Er beherrschte viele Techniken. Meisterlich waren seine Porträts. Wenn er einen Menschen abkonterfeite, mussten die Kinder im Haus ganz, ganz still sein.

1951 konnte Julius Graf mit den Seinen am Eichelsberg ein eigenes Häuschen beziehen. Tief schnitt 1962 der Tod der geliebten Frau in sein Leben ein. Sein Wille konnte den schwächer werdenden Leib nicht mehr dirigieren, seine bis dahin schier unerschöpfliche Schaffenskraft erlahmte. Wer kann ermessen, was es für ihn bedeutete, fortan auf das Malen verzichten zu müssen? Fünf Enkelkinder brachten Licht in die Dämmerung des Alterns. Dreieinhalb Jahre lang war er auf die Pflege seiner Tochter Marianne und die der Ordensschwester Pachomia angewiesen. Fast 84 Jahre war Julius Graf alt, als er 1968 starb.

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